Liegen oder sitzen? Das ist hier die Frage

Sie heissen «Base», «Bentley», «Cube», «Down Town», «S-Jana» und «Zoe». Mal sind die Sofas hübsch anzuschauen, mal einfach nur bequem. Doch bequem wofür – zum Sitzen oder zum Liegen? Haus & Garten machte sich auf einen Rundgang durch Möbelhäuser.

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Haus & Garten 01/2009

07.03.2009

Letzte Aktualisierung:
11.03.2009

Pirmin Schilliger

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Das Sofa ist nach Arbeitsplatz und Bett der wichtigste Aufenthaltsort: Im Schnitt vier Stunden sitzen Deutschschweizer laut Statistik täglich auf dem Sofa, wovon mehr als drei Stunden vor dem Fernseher. Ein Blick in Kataloge und Möbelhäuser zeigt: Modisch und zumindest bei den Herstellern beliebt sind imposante Sofas: Statt der nötigen 55 bis 60 Zentimeter Tiefe weist die Sitzfläche oft einen Meter und mehr auf. Zudem haben die Möbel meist einen bzw. zwei Seitenflügel – die sogenannten Loungechairs.

Wohnlandschaften breiten sich im wahrsten Sinn des Wortes so aus, dass man sich ernsthaft fragt, ob sie nun zum Sitzen oder zum Liegen sind. Wer sich in den verschiedensten Positionen hinfläzen möchte, wird darin sicher glücklich. Andererseits ist ein Sofa nicht einfach die gepolsterte Rückzugsnische für das Eindösen vor der Glotzkiste. Es ist auch ein Treffpunkt, um gemütlich mit Gästen zu plaudern – und dabei aufrecht und entspannt zu sitzen, mit den Füssen am Boden und dem Rücken an der Sofalehne.

Der lange Weg zum perfekten Sofa

Haus & Garten machte sich auf einen Rundgang durch die Sofaabteilungen von fünf Möbelzentren. Das Ergebnis sind sechs Sofas:

Conforama: Zuerst gehts zu Conforama im Wohncenter Emmen LU. Die günstigsten Sofas kosten wenige Hundert Franken. Sie leuchten in allen Farben. Ausgefallene Formen und auffällig gemusterte Bezüge stechen ins Auge. Einige Sofas sind beim Probesitzen durchaus bequem. Allerdings bleibt in den flauschigen Bezügen der Körperabdruck wie ein Stempel zurück – das sieht irgendwie billig aus. Ohnehin hat sich Haus & Garten nichts Grelles, sondern ein schlichtes Dreiersofa vorgestellt. Dem Wunsch am ehesten entspricht «Zoe» für 1450 Franken: Die Vorderfront wirkt zwar klobig, die schräge Seitenlehne ist gewöhnungsbedürftig. Beim Sitztest stellt sich heraus: Das Polster ist weich, leider zu weich. Die Testperson versinkt darin! Ein Musterkatalog listet für die Bezüge eine grosse Auswahl an Farben und Materialien auf, mit einigen Angaben zur Qualität. «Das Dauerfaltverhalten hält mehr als 20 000 Knickungen aus», lässt sich ablesen. Gut oder schlecht? Gerne würde man sich jetzt an den Wohnberater wenden und sich das Fachchinesisch übersetzen lassen. Den gibt es jedoch nicht, im Conforama ist Selbstbedienung. Immerhin gibt es Informations-Inseln, wenn sie denn besetzt wären. Das Personal hat sich offenbar zur Mittagspause zurückgezogen. Mehr als eine halbe Stunde lang taucht niemand auf – und die Testkäufer ziehen weiter!

Toptip: Nächste Station ist die Coop-Tochter Toptip. Das Angebot ist hier mindestens so gross. Doch mehr als die Hälfte der Sofas fällt durch: Entweder lehnt sich der potenzielle Käufer bequem zurück, muss aber seine Beine strecken – und die Füsse baumeln in der Luft. Und wenn er festen Boden spüren möchte, ist die stützende Rückenlehne meilenweit entfernt. Einige der teils mächtigen Möbelstücke scheinen einzig für Riesen konzipiert zu sein. Beim Probesitzen überzeugt schliesslich das rote Dreiersofa «Bentley». Es ist zwar ebenfalls tief, aber dank dicker Rückenpolster sitzt man trotzdem komfortabel. Nicht jedermanns Geschmack sind wohl die auffälligen Nähte auf den Sitzkissen. Der Verkäufer druckt eine Preisliste für die Leder- und Stoffbezugsvarianten aus. Die Angaben über Licht- und Reibechtheit sowie Dauerfaltverhalten sind verschlüsselt und lauten zum Beispiel «DIN EN ISO 105-802». Der Verkäufer kann den Code leider auch nicht übersetzen, bemerkt aber mit Kennerblick: «Absolut lichtechtes Leder gibt es nicht.» Auf die Bitte, die Details zu Rahmen, Federung und Polster zu erklären, antwortet er: «Angaben über das Innenleben haben wir in dieser Preisklasse leider nicht.» Etwas gar vage Auskünfte, um die Katze im Sack zu kaufen – das Sofa kostet immerhin 1799 Franken.

Interio: In der Sofakollektion von Interio landet Haus & Garten beim «Base»: Dieses Dreiersofa ist ein Hingucker. Jedenfalls ziert es den aktuellen Katalog auf der Titelseite. Es wirkt zeitlos und elegant. Einziger Abstrich: Die Rückenlehne ist zu niedrig und völlig senkrecht. Ohne Kissen wird es schnell unbequem. Alles kann man scheinbar nie haben. Auch nicht für 3498 Franken. «Nosagfederung, Vitacontour- und Polyätherschaum mit Diolenwatte, reines Anilinleder, 110 Kilogramm Belastbarkeit pro Sitzeinheit», verrät die an der Rückenlehne baumelnde Produktinformation. Eine weitere Sitzprobe, und der Rücken erinnert einen schmerzhaft, dass nichts über Bequemlichkeit geht, auch nicht die verführerische Ästhetik eines Designerstückes.

Möbel Fly: Neue Hoffnungen kommen bei Möbel Fly auf. Einige Modelle thronen unter der Decke in einer Wandnische – imposant anzuschauen, aber ausser Reichweite zum Probesitzen. Das bringt echt nichts. Dann kommt «Down Town» in Sicht: Irgendwie berührt der nostalgische Groove des im Katalog als Flaggschiff vorgestellten Sofas den Betrachter. Zum Glück wird es am Boden und nicht in luftiger Höhe präsentiert. Mit seinen dünnen Füssen aus gebürstetem Stahl und den groben Ledernähten sieht es zwar irgendwie gewöhnlich aus. Doch es handelt sich sicher um ein bequemes und robustes Sofa. Und man kann tatsächlich normal sitzen, wenn auch mit harter Rückenlehne. Was würde das 1790 Franken kostende Stück auf die Dauer aushalten? Hüpfende Kinder? Katzen, die drauf schlafen und wohlig die Krallen wetzen? Der Verkäufer meint zur Konstruktion: «Gurtenfedern, darüber Schaumstoff, dann ein Vlies und darauf das Leder.» Lieferant sei ein Holländer, der in Rumänien oder Polen produzieren lasse. Zur Auswahl stünden 18 Lederfarben. Der Mann spricht seine knappen Sätze schnell und wie auswendig gelernt. Wahrscheinlich ist es besser, man stellt in solchen Situationen keine zusätzlichen Fragen, sondern kauft oder geht.

Pfister: Hier nimmt sofort ein Wohnberater den Kaufinteressenten unter seine Fittiche. Der Mann ist aufmerksam, aber nicht aufdringlich. Er versteht offensichtlich eine ganze Menge von Möbeln. Er ermuntert zum Rundgang und steht, wie er versichert, selbstverständlich für weitere Fragen zur Verfügung. Für die günstigsten Möbel zahlt man hier so viel wie bei Conforama für die teuersten Stücke. In der Mittelklasse kostet ein Dreiersofa zwischen 4000 und 6000 Franken. Für bekannte Marken – de Sede, Rolf Benz – sind bereits kleinere fünfstellige Beträge fällig. Die Sitztiefe bestimmt jeweils die Position der Testperson. Das ist praktisch, wenn man sehr viel Platz hat. Zum Beispiel für die Eckgarnitur «Cube» – weisses Leder, 6590 Franken. Viermal günstiger ist das Dreiersofa «S-Jana», eine unscheinbare graue Maus zwar. Aber es lässt sich darin sehr bequem sitzen. «Das teure Sofa ist vielleicht 20 bis 30 Prozent besser, aber nicht 400 bis 500 Prozent», meint der Wohnberater bei Pfister. Doch liegt respektive sitzt man damit auch körpergerecht? Der Möbelberater behauptet, dass auch Ergonomie letztlich «bloss Geschmackssache» sei – und eine Frage der Nutzergewohnheiten: «Es kommt halt drauf an, ob Sie mit Gästen plaudern oder sich vor dem TV in Kissen einbetten wollen.» Der Trend – auch international – führe nun einmal weg vom traditionellen Sitzsofa, hin zum tiefen Liegesofa.

Jetzt ist alles klar. Eigentlich ist es ganz einfach: Man müsste mindestens zwei Sofas kaufen!

Tipps für den Sofakauf

Funktion vor Design: Lassen Sie sich von einem «schönen» und «modernen» Design nicht blenden. Langfristig entscheiden vielmehr Form und Funktion darüber, ob das Sofa ein Rückenkiller oder ein bequemes Möbelstück ist.

Lebensgewohnheiten: Überlegen Sie sich vor dem Gang ins Möbelgeschäft die nötige Grösse und Farbe des Sofas und notieren Sie sich die Masse. Sondieren Sie Stilrichtung, Polsterung und Bezug. Das Sofa sollte schliesslich zu den anderen Möbeln und zu Ihren Lebensgewohnheiten passen. Haben Sie Haustiere, womöglich eine Katze? Dann ist Leder die falsche Wahl. In Frage kommt dann am ehesten ein Microfaser-Bezug.

Probesitzen: Nehmen Sie sich im Möbelhaus Zeit zum Probesitzen, denn Bequemlichkeit und Komfort sind am wichtigsten: Werden Rücken und Becken gut abgestützt? Passt die Höhe der Sitzfläche? Man sollte die Füsse bequem am Boden abstellen können. Ist die Sitztiefe in Ordnung? Die Kniekehlen sollten nicht in die Vorderkante gepresst werden. Sind Arm- und Rückenlehnen sowie Polsterung angenehm? Die Rückenlehne, die idealerweise bis zu den Schultern reicht, sollte der Körperform angepasst sein und der Wirbelsäule besonders im Lendenbereich guten Halt bieten.

Qualität: Wie ist das Sofa aufgebaut? Lassen Sie sich Gestell, Federung, Polsterung und Abdeckung erklären. Sind Nähte und Absteppungen sauber verarbeitet? Machen sie einen haltbaren Eindruck – oder wirken sie verzogen oder schief? Ist die Rückseite des Sofas sorgfältig verarbeitet? Wichtig ist zudem die Qualität des Innenlebens: Bei guten Polstermöbeln besteht der Rahmen aus einem Hartholzgestell. Der Polsteraufbau ist aus einem Federkern und/oder Schaumstoff gefertigt. Beide Konstruktionen werden auf Gummigurte oder sogenannte Nosagfedern gesetzt.

Testen Sie die Polsterqualität: Einige Minuten sitzen, danach aufstehen: Sieht man den Abdruck, ist das Material minderwertig. Durch billiges Füllmaterial lässt sich zudem das Möbelskelett ertasten.

Lebensdauer: Achten Sie beim Stoffbezug auf die Deklaration: Wie vielen Scheuertouren hält er stand? Bei Flachgewebe sollten es mindestens 10 000 Scheuertouren sein, bei Velours (aufrecht stehende Faser-Enden) 20 000. Wie hoch ist der Lichtechtheitswert? Gut ist eine Note über 4. Wie hoch ist die Reibechtheit? Stufe 5 bedeutet «sehr gut».

Leder: Hier gilt der ungewöhnliche Grundsatz: Je hochwertiger und teurer, umso empfindlicher ist es meist. Beim naturbelassenen Anilinleder ist das Narbenbild deutlich zu erkennen. Das wirkt zwar warm, edel und anschmiegsam, ist aber nicht sonderlich strapazierfähig. Zudem ist Anilinleder anfällig fürs Ausbleichen und für Schmutz. Wenn das Sofa also intensiv genutzt werden soll, ist ein Bezug aus pigmentiertem Leder die bessere und günstigere Lösung. Pigmentiertes Leder zeigt nach der Oberflächenbehandlung wegen der aufgetragenen Farbschichten kein natürliches Narbenbild mehr.

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