Abstriche bei Ökofarben
Die meisten Farben und Lacke für Heimwerker sind aus gesundheitlicher Sicht problematisch. Das gilt auch für umweltfreundliche Natur- und Biofarben.
Inhalt
Haus & Garten 01/2008
09.03.2008
Werner Fischer
Eines ist klar: Die Grundzusammensetzung aller Farben und Lacke ist immer gleich. Unlösliche Pigmente sorgen für den Farbton. Füllstoffe geben dem Anstrich die gewünschte Strapazierfähigkeit und Bindemittel bilden den eigentlichen Lackfilm. Dank Zusatzstoffen kann die Farbe möglichst gleichmässig aufgetragen werden. Und schliesslich sorgen Lösungsmittel dafür, dass Pigmente und Bindemittel streichfähig werden – und nach dem Auftragen ...
Eines ist klar: Die Grundzusammensetzung aller Farben und Lacke ist immer gleich. Unlösliche Pigmente sorgen für den Farbton. Füllstoffe geben dem Anstrich die gewünschte Strapazierfähigkeit und Bindemittel bilden den eigentlichen Lackfilm. Dank Zusatzstoffen kann die Farbe möglichst gleichmässig aufgetragen werden. Und schliesslich sorgen Lösungsmittel dafür, dass Pigmente und Bindemittel streichfähig werden – und nach dem Auftragen trotzdem möglichst schnell trocknen.
Organische Lösungsmittel
Unproblematisch ist Wasser als Lösemittel. Oft hat es aber organische Lösungsmittel wie Testbenzin, Ester, Ketone und Terpene drin. Diese sind mitverantwortlich für das bodennahe Ozon – und teilweise gesundheitlich sehr bedenklich. Sie verdampfen nach dem Streichen, und die Farbe wird fest. Je schneller sie trocknet, desto grösser ist der Anteil an organischen Lösungsmitteln.
Das hat Folgen: Diese Stoffe können Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen, Hautreaktionen und Übelkeit auslösen. Schlimmer noch: Einige stehen im Verdacht, Krebs auszulösen. Selbst Jahre nach dem Anstreichen können Farben immer noch geringe Mengen an Giftstoffen freisetzen.
Besorgniserregend ist, dass herkömmliche Farben nach wie vor zu einem Grossteil aus Lösungsmitteln bestehen, die gefährliche flüchtige organische Verbindungen enthalten. In Acrylfarbe stecken zum Beispiel bis zu einem Drittel Lösungsmittel auf Basis von flüchtigen organischen Verbindungen, bei Lackfarbe kann der Wert sogar auf bis zu 50 Prozent steigen.
Alternative Naturfarben
Was machen? Viele Heimwerker weichen auf Natur- oder Biofarben aus. Entsprechend kommen statt Erdölprodukte beispielsweise Naturharze zum Einsatz. Und als Lösungsmittel werden nicht synthetische Stoffe verwendet, sondern Wasser und nachwachsende Materialien wie Orangenschalenöl und Zitrusschalenöl. Doch aufgepasst: Auch Ökofarben können zu Beschwerden wie Allergien oder Rausch- und Betäubungszuständen führen.
Hinzu kommt: Bei vielen Natur- und Biofarben stehen Umweltschutz und Schonung der Ressourcen im Fokus. So kritisierte jüngst das deutsche Verbrauchermagazin «Öko-Test»: «Heute ziert fast jede Wandfarbe ein schadstoffarmer ‹Blauer Engel›.» Tatsächlich findet sich dieses Ökosiegel auf manch einem Farbtopf. Nur: Der vom deutschen Umweltbundesamt vergebene «Blaue Engel» bewertet nicht die Qualität der Gesamtfarbe, sondern nur einen Ausschnitt. Dabei hat der umweltschonende Aspekt klaren Vorrang gegenüber gesundheitlichen Anliegen. Ein konkretes Beispiel: Ein Produkt erhält das Umweltzeichen, weil es schwermetallfrei ist – trotzdem könnte die Farbe Lösungsmittel enthalten. Das ist für die Konsumenten unbefriedigend, für sie ist die Qualität der Raumluft in ihrer Wohnung von noch grösserer Bedeutung.
«Öko-Test» fielen noch andere Ungereimtheiten auf: «Der ‹Blaue Engel› verlangt die exakte Angabe der Konservierungsstoffe», schreiben die Experten, «oft halten sich die Hersteller aber nicht an diese Regel und geben einfach nur den banalen Namen ‹Konservierungsstoffe› an.» Was gerade bei Allergikern zu Problemen und Unsicherheiten führe. Unter zehn als «sehr gut» getesteten Wandfarben konnte sich nur eine Naturwandfarbe platzieren. Gemäss «Öko-Test» sieht das Bild bei Bio- und Natur-Lackfarben nicht besser aus.
Label-Wirrwarr
Gütesiegel für Öko- und Biofarben konnten sich lange nicht etablieren , weil es unzählige Hersteller mit jeweils eigenen Labels gibt. Diese sind aber oft näher beim Marketing als bei Mensch und Umwelt angesiedelt. Das haben inzwischen auch einige Hersteller als Problem erkannt. Das vom WWF mitgetragene Baustofflabel Natureplus geht einen Schritt weiter. Es regelt nicht nur die Inhaltsstoffe der Farben, sondern legt auch strenge Grenzwerte für Emissionen fest. Diese garantieren, dass kaum noch flüchtige organische Stoffe aus den Anstrichen in die Raumluft ausgasen. Natureplus-Farben sind vor allem im Fachhandel erhältlich – und deshalb auch teurer.
Baumärkte: Keiner überzeugt bei Öko-Produkten
Der WWF wollte wissen, wie gross das Angebot von Natur- und Bioprodukten bei den grössten sieben in der Schweiz tätigen Baumärkten ist. Das im vergangenen Jahr veröffentlichte Rating zeigt: Das ökologische Angebot an Heimwerker- und Gartenprodukten ist in vielen Läden dürftig. Migros und Coop liegen mit Abstand an der Spitze. Die Riesen aus dem Ausland achten kaum auf ökologische Qualität. Kein Anbieter überzeugte den WWF in allen untersuchten Bereichen – Handlungsbedarf besteht bei allen.
Der WWF bewertete anhand von 83 Kriterien in fünf Bereichen die Sortimente Farben und Lacke, aber auch Holz, Holzprodukte, Baumaterialien, Gartenprodukte sowie die Gesamtstrategie der Firmen bezüglich Förderung von Ökoprodukten. Anhand von Ladenbesuchen und Fragebögen verglich der WWF die Detailhändler Bauhaus, Coop, Do it Baumarkt, Hornbach, Jumbo, Migros und Obi. Bauhaus beantwortete als einziges Unternehmen den Fragebogen nicht, wurde aber aufgrund von externen Quellen und dem Ladenbesuch trotzdem bewertet.
Migros und Coop haben zwar die Nase vorn, doch sie überzeugen trotzdem nicht überall. Bei den Farben und Lacken sind sie unterdurchschnittlich. Bei den Holzprodukten, bei der Strategie zur Förderung nachhaltiger Produkte, beim Einkauf und bei der Vermarktung schwingen sie aber klar obenaus.
Jumbo, Obi und Do it Baumarkt liegen im Mittelfeld. Sie haben keine verbindliche Einkaufsstrategie für nachhaltige Produkte, was sich im Sortiment deutlich niederschlägt.
Hornbach und Bauhaus erzielten das schlechteste Resultat. Hornbach hat immerhin ein grosses Farbangebot – vor allem wegen der vielen mit dem «Blauen Engel» ausgezeichneten Produkte. Bauhaus hat fast kein Holz oder Holzwerkstoffe in Ökoqualität: Nur wenige FSC-zertifizierte und als solche deklarierte Holzprodukte sind im Sortiment zu finden.
Farben: Gesundheitstipps für Heimwerker
Achten Sie darauf, Öko- oder Biofarben zu verwenden. Statt Erdölprodukte werden Naturharze eingesetzt. Als Lösungsmittel dienen Wasser oder nachwachsende Materialien wie Orangenschalenöl – und keine synthetischen Stoffe.
Gut fährt, wer beim Kauf das vom WWF mitgetragene Label «Natureplus» (im Fachhandel erhältlich, etwas teurer) wählt. Strenge Grenzwerte für Emissionen stellen sicher, dass kaum gesundheitsgefährdende flüchtige organische Stoffe in die Raumluft ausgasen. Aber: Hersteller von Biofarben setzen zwar konsequent auf pflanzliche Stoffe. Doch auch diese können Allergien auslösen.
Folgende Eigenschaften weisen auf synthetische Produkte hin: Je schneller die Farbe trocknet, desto höher ist der Anteil an organischen Lösungsmitteln. Und: Je knalliger eine Farbe ist, desto mehr synthetische Stoffe sind in der Regel drin. Bestimmte Farben (wie strahlendes Gelb) sind gar nicht «biologisch» herstellbar.
Während der Arbeit immer gut lüften. Dabei aber Durchzug vermeiden, sonst trocknet die Farbe zu schnell. Lüften Sie Räume nach einem Anstrich während der ersten zwei Wochen regelmässig und gründlich.
Gehen Sie in jedem Fall sparsam mit Farben und Lacken um. Auch Farbreste von Bio- und Naturfarben sind Sondermüll und gehören weder ins WC noch auf den Kompost. Am besten kauft man Naturfarben in einem Geschäft, das angebrochene Farbtöpfe zurücknimmt. Gegen einen geringen Betrag lassen sich Farben oft auch beim lokalen Malergeschäft entsorgen. Sonst wendet man sich an die Sondermüllsammelstelle der Gemeinde.